Möglicher Milliardenbetrug bei der THG-Quote 

Beitrag vom 07. Juni 2024

Neben dem vermuteten Betrug durch falsch deklarierte Biokraftstoffe aus Asien sind nun auch UER-Projekte in China aufgefallen.  

Recherchen des ZDF-Formats “frontal“ zeigen, dass Zertifikate für angeblich neu umgesetzte Projekte beantragt wurden, welche entweder schon längst vorhanden waren oder nur auf dem Papier existieren.* 

Auch das Handelsblatt berichtete Ende 2023* und im April 2024* bereits über den Verdacht. 

Die deutschen Bioenergieverbände sprechen von Unregelmäßigkeiten bei 60 von insgesamt 76 UER-Projekten und einer nicht geleisteten CO2-Einsparung von ca. 7,6 Millionen Tonnen. Das Umweltbundesamt, das für die Anerkennung dieser UER-Projekte zuständig ist, spricht selbst von einer Betrugsdynamik und sah sich aufgrund handfester Betrugshinweise dazu gezwungen, 4 Projekte rückabzuwickeln bzw. zu stoppen. Von 40 nochmals durch das Umweltbundesamt überprüften Projekte konnte eine Vielzahl die Einhaltung der Kriterien nicht schlüssig belegen. 

Legt man die dadurch nicht gezahlten Strafzahlungen von 600€/t CO2eq zu Grunde bedeutet dies neben der Klimaschädigung auch einen monetären Schaden in Milliardenhöhe. 

Ob für den mutmaßlichen Betrug die vermeintlichen chinesischen Betreiber bzw. Projektträger der Anlagen, die Zertifizierungsstellen aus Deutschland oder die quotenverpflichteten Unternehmen, die die Einsparungen genutzt haben, verantwortlich sind, ist unklar. 

Das Umweltbundesamt als Vollzugsbehörde hat mittlerweile Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. 

 

Was sind UER?

Upstream Emission Reductions oder UER sind Maßnahmen zur CO2-Einsparung in der Fossilen Kraftstoffproduktion, bevor die Rohstoffe die Raffinerie erreichen. 

Einsparungen können beispielsweise durch die Vermeidung des Abfackelns (Flaring), des Ablassens (Venting) und des unkontrollierten Entweichens (Leckagen) bei der Ölproduktion erzielt werden. Sie werden somit immer in den Öl-Förderländern umgesetzt. Die bisher beim Umweltbundesamt angerechneten Projekte befinden sich fast ausschließlich in China. 

Die erzielten Einsparungen können die Inverkehrbringer von fossilen Kraftstoffen in Deutschland auf ihre Minderungsverpflichtung (THG-Quote) anrechnen lassen und stehen somit in direkter Konkurrenz zur Einsparung durch z.B. Elektromobilität und Biokraftstoffe. 

Die Verfügbarkeit von UER hat somit auch einen Einfluss auf das Angebot und damit den Preis der THG-Quoten. Ca. 2,4 Mio Tonnen CO2eq dürfen pro Jahr durch UER erfüllt werden. Dies entspricht derzeit der Pauschal-Einsparung von rund 3,6 Mio. Elektrofahrzeugen. 

 

Maßnahmen 

Als erste Reaktion dürfen UER, durch den Kabinettsbeschluss vom 22.05.24, statt planmäßig bis 2026, jetzt für 2024 letztmalig angerechnet werden. 

Derzeit ist die politische Debatte in vollem Gange, welche Maßnahmen darüber hinaus umzusetzen sind. Bereits rechtsverbindlich angerechnete Einsparungen werden nicht aberkannt. Allerdings liegt für den Großteil der UER-”Einsparungen” laut Branchen-Insidern noch keine rechtsverbindliche Anrechnung vor, weshalb bis zu 70 % der UER noch aberkannt bzw. die Ausstellung eines entsprechenden Bescheides ausgesetzt werden könnte. Von dieser Möglichkeit sollte – sofern sich der UER-Betrugsverdacht für die fraglichen Projekte erhärtet – vollumfänglich Gebrauch gemacht werden. 

Eine Nacherfüllung der CO2-Minderung ist auf Basis der aktuellen Verordnungen, wenn überhaupt, nur durch andere UER möglich und hätte somit keinen Einfluss auf die anderen Erfüllungsoptionen. Auch hier gibt es bereits erste Stimmen, rechtlich die Kompensation der wegfallenden UER-Einsparungen durch andere Erfüllungsoptionen zu ermöglichen. Somit könnte der Quotenmarkt insgesamt gestützt werden und die Verzerrungen durch fragwürdige UER würden reduziert.  

In der Debatte engagieren wir uns seitens GreenTrax für eine Anpassung der aktuellen Verordnung sowie der Aberkennung der beantragten UER-Einsparungen, sollte sich der Betrugsverdacht bestätigen. Gemeinsam mit Branchenverbänden machen wir das Thema in der Öffentlichkeit weiter publik und nehmen Möglichkeiten wahr, unsere Expertise und Markteinsicht in die politischen Debatten einzubringen.   


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