Offener Brief zur Anrechenbarkeit von Grünstrom auf die THG-Quote

Um die Energiewende im Verkehr voranzutreiben, gibt es das gesetzliche Klimaschutz-Instrument der Treibhausgas-Minderungsquote (kurz: THG-Quote). Aktuell werden das entsprechende Gesetz sowie die Verordnung novelliert, um diese an die Vorgaben durch die Erneuerbare Energien Richtlinie der EU anzupassen. Im April soll das Gesetz zur Abstimmung in den Bundestag gebracht werden, die Verordnung soll Mitte des Jahres beschlossen werden. Im Zuge dieser Anpassungen fordern wir gemeinsam mit namhaften Unternehmen und Vereinen der Elektromobilität und der Energiewirtschaft, die stärkere Berücksichtigung von Grünstrom. Ein hoher Anteil von erneuerbaren Energien im geladenen Fahrstrom sollte im Rahmen der THG-Quote entsprechend angerechnet werden, um zusätzliche Investitionen in die Grünstromerzeugung anzuregen. 

Wir von GreenTrax veröffentlichen unseren offenen Brief auch direkt hier in unserem Blog. Ihr findet diesen nachfolgend in voller Länge.

Du brauchst allgemeine Informationen zur THG-Quote?

 
Unterzeichner*innen des offenen Briefes

Unterzeichner*innen des offenen Briefes

 

Frau Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

Herr Dirk Messner, Präsident Umweltbundesamt

13.04.2021


Offener Brief zur Anrechenbarkeit von erneuerbarem Strom für die Elektromobilität im Rahmen der THG-Quote

Der aktuelle Kabinettsbeschluss zur Weiterentwicklung der Treibhausgas-Minderungsquote (THG-Quote) als Umsetzung der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie für den Verkehr in deutsches Recht ist ein richtiger und wichtiger Schritt auf dem Weg zur Erreichung der sektoralen Klimaschutz-Verpflichtungen im Verkehr. Die jetzt geplante Erhöhung der THG-Quote auf 22 % für 2030 und der Fokus auf Elektromobilität als Schlüsseltechnologie für den Straßenverkehr sind dringend erforderlich, um eine realistische Chance auf eine erfolgreiche Energiewende im Verkehr und damit auf die Erreichung der Klimaziele zu haben. Der aktuelle Entwurf zur Novellierung der relevanten Verordnung (38. BImSchV) regelt die Anrechenbarkeit von Strom für Elektromobilität auf die THG-Quote. Für die Berechnung der relevanten Emissionsminderung wird in der Regel die durchschnittliche THG-Intensität von Strom aus dem Netz herangezogen. Fahrstrom aus erneuerbaren Energien sollte daher durch das bewährte Instrument der THG-Quote gezielt gefördert werden, um das gesteckte Ziel von 28 % EE-Anteil im Verkehr zu erreichen.

  • Ein hoher Anteil von erneuerbaren Energien in geladenem Fahrstrom sollte im Rahmen der THG-Quote angerechnet werden, um zusätzliche Investitionen in die Grünstromerzeugung anzuregen.

  • Die im Referentenentwurf geplante Anrechnung von Grünstrom sollte über die reine Direktverbindung bei öffentlichen Ladepunkten hinaus auch auf andere Szenarien erweitert werden.

Die Weichen für den Erfolg der Klimapolitik im Verkehrssektor werden aufgrund der hohen Trägheit der Fahrzeugflotte schon heute gestellt. Um den Umstieg auf die E-Mobilität zu beschleunigen, sollte Grünstrombezug entsprechend über den THG-Quotenhandel honoriert werden. Dies ermöglicht einen finanziellen Anreiz für die Marktteilnehmer, die mit ihren Entscheidungen von heute die Klimaziele für 2030 erreichbar machen.


Die geplante Förderung grüner Elektromobilität durch die THG-Quote

Batterieelektrische Fahrzeuge tragen schon jetzt aufgrund einer wesentlich höheren Energieeffizienz des Antriebsstranges dazu bei, Emissionen im Straßenverkehr zu reduzieren und den Endenergieverbrauch zu senken. Auch entfallen bei Fahrstrom die hohen energetischen Umwandlungsverluste wie sie beispielsweise bei der Erzeugung von strombasierten Flüssigkraftstoffen auftreten. Ein Fokus auf Elektromobilität als Schlüsseltechnologie für den Straßenverkehr ist demzufolge sinnvoll. Das volle Potential zur Reduktion der Treibhausgase kann jedoch nur dann ausgeschöpft werden, wenn Elektrofahrzeuge mit möglichst viel echtem Grünstrom fahren. Hier weist der Referentenentwurf zur BImSchV Nr. 38 in die richtige Richtung: Dieser erlaubt grundsätzlich in § 5 (4) die Anrechenbarkeit mit einem Emissionsfaktor von Null auf die THG-Quote beim Laden von E-Fahrzeugen über eine öffentliche Ladestation mit Direktverbindung zu einer EE-Erzeugungsanlage. Anteilige Stromentnahmen aus dem Netz sollen weiterhin mit dem Wert für den durchschnittlichen deutschen Strommix bewertet werden. Dieser Anreiz zur Nutzung von Grünstrom sollte jedoch auch auf andere Ladeszenarien ausgeweitet werden, um den tatsächlichen Beitrag zur THG-Minderung im Verkehr leistungsgerecht über den THG-Quotenhandel anzuerkennen. Im Zusammenhang mit der RED II wird derzeit ein delegierter Rechtsakt ausgearbeitet, der die Rechtssicherheit in Bezug auf die Anerkennung von Grünstrom über den Netzbezug und die Bereitstellung zusätzlicher Strommengen schaffen soll (vgl. RED II, Artikel 27). Die Bundesregierung sollte schon jetzt darauf hinwirken, dass der delegierte Rechtsakt die potentielle Anrechenbarkeit von reinem Grünstrom auf die THG-Quote möglichst unbürokratisch zulässt.


Mögliche Optionen der Anrechenbarkeit von erneuerbarem Strom für Elektrofahrzeuge auf die THG-Quote


Grundsätzlich begrüßen wir die vorgesehene Möglichkeit, öffentliches Laden über EE-Direktverbindungen mit einem Emissionsfaktor von Null anzurechnen. Die aktuell häufigste Konstellation öffentlicher Ladesäulen ist jedoch ohne Direktverbindung zu einer EE-Erzeugungsanlage. Das größere Potential solcher Direktverbindungen könnte in Zukunft eher im nicht-öffentlichen Laden liegen – bei Gewerbetreibenden und Privatpersonen. Bei Privatpersonen können hier auch Mieterstrommodelle mit Elektromobilität an Attraktivität gewinnen. Entsprechend sollte die Möglichkeit, direktbezogenen Grünstrom anrechnen zu lassen, erweitert werden.

Beim gewerblichen nicht-öffentlichen Laden könnte auch die verbrauchsscharfe Anrechnung von (netzbezogenem) Grünstrom Sinn machen, da hier aufgrund hoher Absatzmengen die Kosten für registrierende Leistungsmessung und Steuerung relativ schnell amortisiert würden. Derzeit ist eine solche verbrauchsscharfe Anrechnung nicht möglich, sondern wird lediglich über Pauschalwerte abgebildet. Hier könnte die Einführung einer Wahlmöglichkeit zwischen Anrechnung von Messwerten und Pauschalwerten die Attraktivität erhöhen. Diese Option würde damit zwei wichtige Aspekte berücksichtigen: 1. Elektromobile haben vor allem bei hohen Laufleistungen eine gute Klimabilanz. 2. Der Einsatz von Grünstrom verbessert diese Bilanz zusätzlich. Dies würde durch eine beitragsgerechte Anrechnung honoriert werden.

Bei der Anrechenbarkeit von Grünstrom im Netzbezug stellen sich Fragen zur Nachweisbarkeit, Grünstromeigenschaft, Doppelvermarktungsverbot und Investitionsanreizen in EE-Neuanlagen (Stichwort: Zusätzlichkeit). Denkbar wären etwa erweiterte Herkunftsnachweise (HKN+) in Zusammenhang mit bestimmten Grünstrom-Labels, die spezielle Anforderungen stellen an Alter der Erzeugungsanlage, Energiequelle, Einzahlungen in Investitionsfonds oder Netzdienlichkeit (beispielsweise Erzeugung und Verbrauch auf der gleichen Seite des nächsten Netzengpasses).

Im Rahmen der Anerkennung strombasierter Kraftstoffe wird zur Sicherung der „grünen Eigenschaft“ gefordert, dass der Grünstrom-Nachweis auch im Rahmen von Power-Purchase-Agreements (PPAs) erfolgen kann (vgl. Forderungen des nationalen Wasserstoffrats oder des EU-Innovation-Fund). Im Gleichlauf müssen solche Strombezugsmodelle auch für elektrischen Strom mit direktem Einsatz in Elektromobilen anerkannt werden, um mit einem Emissionsfaktor von Null versehen zu werden. Dabei sollten potentiell auch Post-EEG-Anlagen berücksichtigt werden, sofern PPAs (gekoppelt mit HKN) einen Rückbau dieser Anlagen verhindern. Somit würden Investitionen in Neubau, Instandhaltung und Repowering ermöglicht. Verwiesen sei hierbei nochmals auf den Einfluss des anstehenden delegierten Rechtsakts. Hier könnte es erforderlich werden, die nationalen Ausbaupfade für EE-Anlagen entsprechend flexibel um die benötigten Kapazitäten für Fahrstrom zu erhöhen. Auch die hierbei erwogenen Kriterien wie geographische und zeitliche Korrelation könnten unter Umständen herangezogen werden.

Als Alternative zur Anrechnung der Grünstromanteile wäre perspektivisch auch eine Berücksichtigung der THG-Intensität des Stroms zum Zeitpunkt des Netzbezugs vorstellbar. Intelligente Messeinrichtungen könnten so das Laden über die im Tagesverlauf stark schwankenden THG-Intensitäten optimieren und entsprechend emissionsscharf auf die THG-Quote angerechnet werden.

Die aufgezeigten Optionen setzen konsequent den Weg fort, der durch die aktuellen Gesetzes- und Verordnungsentwürfe eingeschlagen wird. Eine stärkere Berücksichtigung von echtem Grünstrom bei gleichzeitiger Sicherstellung zusätzlicher Investitionen in EE-Erzeugungsanlagen gewährleistet einen zweckbestimmten Einsatz der THG-Erlöse. Eine stärkere Zweckbindung sollte auch für das vorgesehene Auktionsverfahren nicht gemeldeter Strommengen angestrebt werden. Die hierbei generierten Erlöse sollten für den Ausbau der Elektromobilität und der EE-Kapazitäten vorgesehen werden, um einen größeren Beitrag der THG-Quote als effizientes Klimaschutzinstrument für die Energiewende im Verkehr zu gewährleisten.

Kontakt

Benedikt Kirpes & David Pflegler

GreenTrax (info@greentrax.de)

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